
Der erste Wein von Usedom kann sich schmecken lassen
Die Sonne flimmert golden über den tiefgrünen Reihen, die sich an den sanften Südhang mit Blick auf den Usedomer See und das Stettiner Haff schmiegen. Grillen zirpen ihr Liebeslied in die warme Luft. Es ist so friedlich und ruhig, als stünde man im Paradies. Das sich das mitten auf der Insel Usedom befindet, ist kaum zu glauben. Aber wahr. Besser gesagt, befindet es sich in der winzigen Ortschaft Welzin im Usedomer Hinterland, die bislang noch wenig von den Besucherströmen gen Ostseestrand berührt wurde. Hier ist es herrlich idyllisch und wunderbar einsam.


Der alte Hof mit den noch älteren Bäumen schlummert in der Nachmittagssonne. Es ist ein besonderer Hof. Denn auf seinem Land wächst etwas, das man gemeinhin nicht unbedingt mit einer norddeutschen Insel in Verbindung bringen würde: Wein. Und was für ein Wein! Einer, dessen Geschmack zunächst ein wenig nordisch spröde auf der Zunge verweilt, nach einer Weile im Mund aber ein volles Bouquet aus Stachelbeeren, Grapefruit und roten Beeren entwickelt. Ein Wein, dessen Geschmack nicht einfach süffig vergeht, sondern der nachhält und in Erinnerung bleibt. „Spannend und interessant“, beschreibt ihn eine Besucherin.
„Ich wollte etwas schaffen, das nach Usedom schmeckt“, sagt Christoph Kühne-Hellmessen. Seit mehr als 30 Jahren lebt der Landwirt, der ursprünglich aus dem Bayerischen Wald kommt, auf Usedom. Seit ein paar Jahren hat es ihm der Weinbau angetan. Auf einem Hektar moderatem Südhang baut er Usedomer Wein an.
Die Insel ist mit ihren 1.900 Sonnenstunden im Jahr, dem mittlerweile recht milden Klima und den jungen eiszeitlichen Geschiebemergelböden geradezu prädestiniert für den Weinanbau, findet der Winzer. „Und der Weinanbau war schon immer mein Traum“, schwärmt er. Der Ökolandwirt hatte bereits Wein auf Sizilien produziert. Als das in der Coronazeit nicht möglich war, kamen ihm und seiner Familie die Idee zu dem Usedomer Wein. Denn nicht nur Christoph und seine Frau Cornelia lieben Wein, auch sein Sohn und seine Tochter sind Liebhaber des edlen Tropfens. Also pflanzten sie im Jahr 2021 Stecklinge von sieben charakterstarken Rebsorten: Sauvignac, Muscaris, Solaris, Rinot, Ravel blanc, Soreli und Fleurtai. Diese robusten Rebsorten sind pilzresistent und ermöglichen dadurch einen Weinbau fast ohne Pflanzenschutzmittel.


Inzwischen können aus den 4.000 Weinstöcke knapp 3.000 bis 4.000 Flaschen Wein jedes Jahr gewonnen werden. Der Wein entsteht in einem sogenannten gemischten Satz; das heißt, alle Trauben werden zusammen gekeltert. Anschließend werden sie spontan im Eichen-Robinienfass und im Stahltank vergoren. Winzer Christoph fügt dem Traubenmost keine künstlichen Hefekulturen zu. Der Usedomer Wein ist also ein absoluter Naturwein. Und jeder Jahrgang erhält dadurch einen ganz eigenen Geschmack.
Der Arbeitsaufwand ist enorm. Denn bei den Kühne-Hellmessens wird von der Lese bis zum fertigen Wein alles mit der Hand gemacht. „Unser Motto sorgfältig und gemächlich leben wir“, schmunzelt Schwiegertochter Sabrina Steeb. „Wenn wir dann den ersten Saft aus der Presse probieren, ist das ein Highlight. Daran können wir erkennen, wie der Wein wird“, erzählt sie. Der Name „Kühn & Hell“ könnte glatt auf das golden schimmernde Getränk mit dem kühnen Bouquet zugeschnitten sein, ist aber eine Reminiszenz an den Familienbetrieb Kühne-Hellmessen.
Derzeit ist die Familie mittendrin in der Weinernte für den „Kühn & Hell 2025“. Schon der erste Jahrgang, 2023, wurde vom renommierten Weinmagazin Falstaff mit 91,5 Punkten als exzellent bewertet. „Und mit den Jahren werden die Rebstöcke immer ausdrucksstärker“, freut sich Christoph über das Lob.
Auch in diesem Jahr möchte die Familie zusätzlich zum Weißwein einen Pét-Nat herstellen. Beim Pét Nat wird der halbvergorene Most in die Flasche gefüllt und verschlossen. Durch die Gärung in der Flasche entsteht neben dem Alkohol auch Kohlensäure. Das entstandene Getränk ist dadurch ein natürlich perlender Schaumwein.
In ausgesuchten Weinhandlungen auf Usedom, darunter auch unsere beiden Kontor1-Läden, ist der „Kühn & Hell“ zu haben. Ansonsten kann man ihn in der Vinothek direkt auf dem Weingut verkosten und erstehen. Und wer das Weingut Welzin einmal besucht hat, entlässt es glückserfüllt und beseelt wieder in die Welt. Denn es ist definitiv einer dieser paradiesischen und romantischen Orte, die in Erinnerung bleiben.
Mehr Infos zum Weingut Welzin: gut-welzin.de
Fotos: Weingut Welzin/Studio Maximilian König, Sandra Grüning, TMV/Petermann

Sandra Grüning - Redaktionsteam UsedomTravel
Ich bin Küstenkind. Durch und durch. Mein Herz schlägt für das Meer und die Insel, den Wind im Gesicht und die Weite im Blick. Doch mindestens genauso sehr liebe ich das Schreiben. Denn schreiben bedeutet Leben für mich. Seit vielen Jahren arbeite ich als Journalistin, Redakteurin, Web- und Werbetexterin. In meiner Textwerkstatt Küstenkind kreiere ich mit Leidenschaft, Feingefühl und Kompetenz Werbe-, Web- und Pressetexte, Blog-Beiträge und Bücher. Menschen und außergewöhnliche Orte faszinieren und inspirieren mich dabei – Immer auf der Suche nach neuen Geschichten und spannenden Projekten.