Auf der Seebrücke von Koserow übers Wasser spazieren

Nicht nur ein Hingucker, sondern ein Ort für alle Sinne

Gerade schiebt sich die Sonne über den Horizont. Der Himmel über der Ostsee flirrt in sanften Pastelltönen von Babyblau bis Zartrosa. Alles ist noch still und unberührt. Selbst die Wellen unter dem hölzernen Seesteg rauschen noch leise verschlafen an den Strand. Um diese frühe Morgenstunde ist es auf der Koserower Seebrücke noch wunderbar einsam und ruhig. Ein paar Sonnenhungrige und ein paar verrenkungsfreudige Frühaufsteher haben sich auf den Planken gen Nordosten versammelt, um den neuen Tag zu begrüßen.

Namasté!

Ganz richtig gelesen. Die Sanskrit-Begrüßung der Yogis, ist auch auf der Koserower Seebrücke den einen oder anderen Morgen zu hören. Denn das Seebad Koserow lädt mehrmals im Monat zum morgendlichen Strand- oder Seebrücken-Yoga ein. Ganz bewusst den Augenblick genießen, die Seeluft tief einatmen und alles Schwere, das auf der Seele lastet, einen Sonnenaufgang lang vergessen. Für solch unvergessliche Urlaubserlebnisse ist die neue Seebrücke von Koserow wunderbar geeignet.

Seit dem Sommer 2021 ziert sie das kleine Bernsteinbad in der Mitte der Insel wie ein Schmuckstück und gehört schon jetzt zu den beliebtesten To-dos eines Usedomurlaubs. Wie eine Welle schlängelt sie sich in die Ostsee hinein. Zwei terrassenförmige Plattformen – am Anfang und am Brückenkopf – laden zum Aussichts- und Ostseeschnuppergenuss ein. Was hier mit viel Engagement der Koserower entstanden ist, kann sich sehen lassen.

Der alte Seesteg mit der Pyramide am Seebrückenaufgang war in die Jahre gekommen. Sie musste ständig ausgebessert werden und die Querträger, auf denen die Brücke ruhte, waren längst sicherheitsbedenklich. Die Koserower wünschten sich eine neue Brücke. Modern sollte sie sein. Das Naturerlebnis der Steilküste am Streckelsberg sollte im Vordergrund stehen. Und sie sollte für Einheimische und für Gäste ein Ort werden, an dem sie mit allen Sinnen genießen und verweilen können.

Fünf Entwürfe wurden vorgelegt. Derjenige mit der außergewöhnlichen Wellenoptik siegte. Terrassenförmige Sitzlandschaften für Veranstaltungen oder das romantische Sonnenuntergangskino waren ebenso vorgesehen wie ein LED-Lichtdesign und ein Glockenturm für die sagenumwobene Vinetaglocke. Wegen seiner Langlebigkeit und seiner Witterungsbeständigkeit entschieden die Koserower sich für nachhaltig produziertes Bongossiholz. Insgesamt ist der Seesteg 280 Meter lang. Etwa 7,2 Millionen Euro hat der Bau gekostet. 2,5 Millionen Euro hat die Gemeinde Koserow selbst aufgebracht.

Doch alle – Einheimische wie Gäste – sind sich einig: Es hat sich gelohnt. Es gibt Bänke und urig geflochtene Drehsessel, aus denen man am liebsten gar nicht wieder aufstehen möchte. Eine kleine, mobile Wein- und Cocktailbar in einer umgebauten Ape kredenzt auf der Plattform über der Ostsee kühle Getränke zum Sonnenuntergang. Während kleine Konzerte für akustischen Hörgenuss sorgen.

Bevor man jedoch wieder geht, sollte man dem Mann aus Cortenstahl am Brückenende auf jeden Fall einen lieben Gruß sagen. Die Künstlerin Johanna Stallbaum hat sie geschaffen. Da sie die Betrachter auf eine Fantasiereise schicken möchte, hat sie sich nicht festgelegt, was ihre 2,80 Meter hohe Skulptur darstellen soll. So sehen die einen in dem Mann einen Fischer in seinem Ölzeug, andere halten ihn für den Glöckner des Glockenturms und wieder andere für einen Besucher mit Rucksack, der sich in die Ferne träumt.